259 - Agiles Change-Management mit Prof. Stefan Kühl

Shownotes

In dieser Folge sprechen Martin und ich mit Professor Stefan Kühl, einem der renommiertesten Organisationssoziologen im deutschsprachigen Raum. Wir reden über den Sinn und Unsinn großer Veränderungsprojekte in Unternehmen und Verwaltungen, über das Spannungsfeld von Bürokratie und Entbürokratisierung bis hin zum heiklen Thema, wie Beratung und wissenschaftliches Denken in der Praxis wirklich zusammenfinden.

Spannende Einblicke in die Komplexität organisatorischer Wirklichkeit, die oft zwischen Zweckrationalität und realer Organisationspraxis pendelt, stellen die gängige Vorstellungen von Agilität, Strategie und Veränderungsprozessen in Frage. Wie gut kennen wir eigentlich die verborgenen Dynamiken und Abweichungen, die Organisationen prägen? Und warum gelingt es so schwer, diese in der Praxis wirklich zu verstehen und zu steuern?

des Weiteren reden wir über die Fallen in gängigen Veränderungsansätzen: Wie wirkt sich die Logik von Beratungshäusern auf Organisationen aus? Und welche Fehlentwicklungen könnten wir vermeiden, wenn wir klüger mit Komplexität und Unsicherheit umgingen?

Provokant, klar und inspirierend.

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Viel Spaß beim Hören! Dein David & Martin

Martin Aigner: Twitter: @aigner_martin LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/martin-aigner-865064193

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Transkript anzeigen

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Einen wunderschönen guten Tag zusammen. Unser heutiger Gast zählt zu den bekanntesten Organisationssoziologen im deutschsprachigen Raum. Er ist Professor an der Universität Bielefeld und zugleich als Berater bei Metaplan aktiv. Nach seinem Studium der Soziologie, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften forschte er unter anderem in den USA, Frankreich und Großbritannien. Er promovierte sowohl in Soziologie als auch in Wirtschaftswissenschaften, habilitierte sich an der LMU München und lehrt seit 2007 in Bielefeld. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Organisationskultur, Hierarchie, Macht und den Nebenfolgen von Veränderungsprozessen. Er untersucht, wie formale Strukturen und informale Dynamiken ineinandergreifen und warum gerade gut gemeinte Reformen oft unbeabsichtigte Effekte haben. Besonders bekannt wurde er mit seiner Organisationssoziologischen Analyse des Holocaust im ganz normalen Organisation. Darüber hinaus ist der Autor zahlreicher Bücher wie Organisation, eine sehr kurze Einführung oder Organisationskulturen beeinflussen. Sein neuestes Werk ist Führung Managen, ich halte sie auch mal in die Kamera, mit Judith Muster. Mit klarer Sprache und analytischer Schärfe hinterfragt er Management-Moden wie Agilität oder New Work und eröffnet neue Perspektiven auf Funktionsweise von Organisationen. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit betreibt er zusammen mit Andreas Hermwild, der sehr empfehlenswerten Podcast, der ganz formale Wahnsinn, den Link packe ich natürlich in die Show Notes über die Widersprüche des organisatorischen Alltags. Ich freue mich sehr, dass Sie heute unser Gast sind. Herzlich willkommen, Professor Stefan Kühl.

Stefan Kühl: Ja, freut mich. Super, dass das geklappt hat.

Martin Aigner: Hallo.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Ja, unsere lockere Einstiegsfrage ist immer, womit beschäftigst du dich aktuell? Was treibt dich

Stefan Kühl: Im Moment sitze ich gerade an einer Theorie der Bürokratie. Ich weiß nicht, ob ihr es mitbekommen habt, aber überall wird im Moment gerade über Entbürokratisierung diskutiert. gibt irgendwie ein eigenes Ministerium zur Staatsmodernisierung. Verwaltungen werden mit diesem Forum von der Überbürokratisierung konfrontiert. Und aus einer organisationssoziologischen Sicht ist schon der Eindruck, dass diese ganzen Rezepte, die im Moment propagiert werden, zur Entbürokratisierung. doch deutlich zu einfach sind. Und ich versuche zusammen mit einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen etwas genauer rauszuarbeiten, was eigentlich Bürokratie sein soll und was die Effekte, aber auch die ungewollten Nebenfolgen von Entbürokratisierung sind. Und darüber wollen wir eben nicht nur die Diskussion in Verwaltung, sondern auch in Unternehmen und auch in der Politik entsprechend beeinflussen.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Chirurgie hatte durchaus seine Funktion und sie einfach nur abzuschaffen hat sicherlich nicht den positiven Effekt den man sich einfach so erhofft.

Stefan Kühl: Ja, also das sehe ich genauso. Da gibt es auch mit Max Weber bei uns Soziologen eine prominente Figur, die versucht hat, Bürokratie, was immer so einen negativen Beigeschmack hatte im 19. Jahrhundert, 29. Jahrhundert, positiver zu konjuntieren, indem er gesagt hat, naja, das sind ja auch Effizienzvorteile, die mit Bürokratie einhergehen können. Man kann natürlich auch argumentieren, dass eine gewisse Form von Rechtsstaatlichkeit auch auf Bürokratie basiert. Also das ist so dieses Spannungsfeld, in dem man sich bewegt, dass man Bürokratie entweder als Schimpfwort verwenden kann, wenn man mit irgendetwas nicht einverstanden ist, was von der Politik entschieden worden ist. Man kann dann aber auch ein Loblied auf die Bürokratie singen und sagen, es gibt bestimmte Vorteile, die mit bürokratischen Prozessen einhergehen. Brechenbarkeit, Nachvollziehbarkeit, Aktenförmigkeit der Vorgänge. Das ist quasi der Kontrast zu der Beschimpfungsliteratur, die man von den Entbürokratisierern lesen kann.

Martin Aigner: Ich erinnere mich, vielleicht war das so nach dem Motto, wenn Agilität in der Verwaltung angekommen ist, dann ist der Hype-Zyklus endlich durch. Ist es bei Systemtheorie jetzt auch? Also ich beobachte gerade Systemtheorie und solche Ansätze in der Verwaltung, in der Bürokratie. Ist dann unser Hype-Zyklus jetzt vorbei oder muss mir das Angst machen? Ich weiß es nicht.

Stefan Kühl: Systemtheoretiker.

Martin Aigner: Ja, die Systemtheorie ist ja auch so ein Ding, was jetzt quasi auf Konferenzen so rumwabert. Also für mich Indikator, zum Beispiel die Managed Edgeshield in Potsdam Berlin. Das sind jetzt ganz viele Vorträge systemisch und Systemtheorie. Und das unterliegt ja auch diesen gleichen Halbzyklen wie Agilität sozusagen. und Indikatoren, wenn der Letzte das jetzt dann hat, also Verwaltung ist immer die allerletzten, es kriegen, dann ist eigentlich ein Indikator für Agilität in dem Fall, dass es jetzt echt vorbei ist. Und jetzt beobachte ich das jetzt gerade bei solchen Überlegungen, wie da sind.

Stefan Kühl: Interessanter Punkt. habe natürlich als Systemtheoretiker, da vermutlich meinen blinden Fleck, alles wird vergehen bis auf die Systemtheorie, wird bis ans Ende der Welt existieren. Aber da kann man natürlich berechtigterweise sagen, so müssen Systemtheoretiker funktionieren und die Verfechter von Agilitätsmodellen, die damit ihr Geschäft machen, die werden auch nicht sehen, wenn der Hype-Zyklus zu Ende geht. Ich glaube, man muss das ein bisschen differenzieren. Also das eine ist,

Martin Aigner: Ja.

Stefan Kühl: Systemtheorie hat ja erstmal sehr wenig mit systemisch zu tun. Also Systemtheorie ist ja eine Form von Organisationstheorie, die oder in der Ausprägung der Organisationstheorie, erstmal primär eigentlich eine wissenschaftliche Denkweise ist. Und die Systemtheorie ist anders als eine Vielzahl von anderen. soziologischen Theorien mit einem sehr umfassenden Anspruch angetreten. Das ist eine Welterklärungsformel. möchte jedes Phänomen des Sozialen, also von sozialer Schichtung, Klassenunterschiede bis hin zu Face-to-Face-Interaktionen in Partys erklären. Dementsprechend sind wir als Systemtheoretiker auch in der Lage, natürlich Organisationen zu erklären. Also ein sehr umfassender Erklärungsanspruch. Und wenn man jetzt von Zyklen spricht, da muss man unterscheiden, es handelt sich Zyklen in der Wissenschaft. oder zyklen in der Beratungspraxis. Und in der Wissenschaft würde ich sagen, da ist die Systemtheorie vermutlich im deutschsprachigen Raum gar nicht mehr so prominent im Vergleich zu dem, was in den 70er, 80er Jahren gewesen ist. Ich kann auch sagen, sind ein paar letzte Moikane in der Soziologie übrig geblieben, so zehn, zwanzig Personen, die jetzt wissenschaftlich noch systemtheoretisch arbeiten. Und im Beratungssegment habe ich den Eindruck, dass man sich halt sehr leichtfertig bestimmte Labels zu... man halt seinen Ansatz systemtheoretisch informiert, ob das oder systemisch, was sich dahinter genau verbirgt, das ist denn häufig eine ganz andere Frage. Und ich habe eher so den Eindruck, ja, es ist scheinbar im Moment gerade auch im Wogen Systemtheorie als Theoriekonzeption zu verwenden und ich bin natürlich jetzt als als Organisationssoziologe zutiefst dankbar dafür, weil es uns ermöglicht bestimmte Sichtweisen auf Organisationen zu propagieren, die wir sonst gar nicht unterkriegen, auf die man gar nicht hört. Und der Anspruch, wir als Systemtheoretiker haben, ist ja, dass wir in der Lage sind, Organisationen in einer Form zu beschreiben, die andere so nicht beschreiben können. wir in der Komplexität mit der Organisation funktionieren, die richtige Beschreibungsformel haben. Und je mehr Praktiker und Praktikerinnen sich damit auseinandersetzen, desto besser ist es, weil natürlich auch ein gewisser Missionsdrang dahinter steht. diese Sichtweise auf Organisation zu vermitteln.

Martin Aigner: Ja, die Praktiker neigen dann auch da wiederum, irgendwelche Blaupausen aus dem Hut zu zaubern. Mit einer traumwanderischen Sicherheit passiert das. Ich bin immer erstaunt dann. Neben dem, dass sie die Methoden und Praktiken dann falsch anwenden oder selbst da Fehler machen. Ich frage mich dann immer, aus so einer soziologischen Perspektive, tut sich denn diese Organisationsentwicklungswissenschaft oder Beratung oder sowas über die Zeit überhaupt weiterentwickeln, weil ich ich höre immer Ja, das hat man schon mal und scrubben und es geht dann zurück bis diesen. Das ist glaube ich von ihr diese Arbeitsgruppen, Fabella Nazis, diese diese cross-funktionalen Teams, die wir eigentlich hatten. Also irgendwie hat man das ja schon mal. Und die Frage ist, entwickelt sich das überhaupt weiter oder ist es eigentlich schon zu Ende entwickelt von der der Soziologie? Also weil wir als soziale Systeme halt limitiert sind auch irgendwie und. Das ist es jetzt dann irgendwann. Ich weiß es nicht.

Stefan Kühl: Also ich habe auch da muss man unterscheiden. Das eine ist halt die wissenschaftliche Organisationstheorie, wo ich jetzt gerade im Vergleich zu anderen Wissenschaftsfeldern sagen würde, sie ist ziemlich avanciert. es gibt kaum ein Thema in der Soziologie, was auch theoretisch so gut durchdrungen ist wie die Betrachtung von Organisation. Da sind wir in einer deutlich dankbaren Situation als zum Beispiel die Forschung über Familien oder die

Martin Aigner: Mhm.

Stefan Kühl: Forschung über Freundesgruppen oder auch die Forschung über Protestbewegungen zum Beispiel. Also wir sind an der Stelle eigentlich schon in der Situation, wo ich sagen würde, die Diskussion ist relativ weit fortgeschritten. In der Praxis sehe ich eigentlich sehr wenig Ansätze, sondern da ist das eher so ein kleines, gallisches Dorf innerhalb eines ja immer noch in so ganz klassischen Management-Konzepten verhafteten Denkens über Organisationen. Also ich arbeite häufig, also die Der Scheidung ist die zwischen zweckrational und zweckrationalitätskritischen Management Modellen. Ein zweckrationales Management Modell ist so eine Vorstellung, naja, ich muss mir erstmal eine Vision machen, dann entwickle ich daraus eine Mission, dann habe ich irgendwie eine Strategie und dann überlege ich, ich am besten diese Strategie umsetze und suche dafür das geeignete Personal. Also so eine sehr top-down Sichtweise auf die Art und Weise, wie Organisationen funktionieren. Wenn ich mir einen Großteil der Veränderungsprozesse anschaue, einen Großteil der Powerpoints, da produziert werden, auch einen Großteil der Beratungsfirmen, vielleicht mit Ausnahme von so ein paar kleinen Beratungsbootiken oder ein paar kleine Organisationsentwicklungsfirmen, da wird immer noch in diesen sehr zweckrationalen Modellen gearbeitet. Und auf der anderen Seite habe ich dann aber auch einen zweckrationalitätskritischen Herangehensweise, auch unter Praktikern. doch eine ganze Reihe von klugen Managerinnen und Managern, die schon Begriffen haben, dass das so nicht funktioniert, dass euch was ganz anderes rauskommt, als was man ursprünglich mal geplant hat, dass Management drin besteht, irgendwelche Optionen zu ergreifen, die vielleicht gar nicht in den Strategievorstellungen drin stecken, die sehen das Zahlen, die dann produziert werden. als mikropolitisches Instrument eingesetzt werden. Also es gibt kluge Praktikerinnen und Praktiker, die damit arbeiten, aber das ist die absolute Minderheit, wenn ich mir angucke, in der Art Weise, wie über Organisation gesprochen wird. Deswegen sehe ich da für dieses kleine gallische Dorf, was wir systemtheoretisch informierte Beraterinnen und Berater sind, noch sehr viel zu tun. wenn dieses kleine gallische Dorf ein bisschen größer wird, wäre ich natürlich schon dankbar.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Mhm. Woher glauben Sie, kommt diese Diskrepanz? Weil ich würde jetzt sagen, der Systemtheorie im Speziellen ja, aber auch in vielen anderen Bereichen, würde ich ja sagen, ist die wissenschaftliche Informationslage in Unternehmen recht begrenzt. Man könnte meinen, vieles hat die Wissenschaft schon herausgefunden, da gibt es jede Menge Informationen zu, aber es scheint nicht wirklich anzuhaften. Sehen Sie das auch so? Und wenn ja, woran glauben Sie, warum liegt das? Warum lassen sich Organisationen so schwer belehren?

Stefan Kühl: Ja, weil das natürlich störende Informationen sind. Also in dem Moment, wo ich versuche innerhalb einer Organisation, irgendwas zu verargumentieren, dann lässt sich immer besser argumentieren, wenn ich so einen stringenten Powerpoint-Plan mache. Oder wenn ich für 100.000 Euro in eine Expertenberatungsfirma reingehe, die dann eine Prozessanalyse macht und nachher am Ende dann irgendwelche Blaupausen schreibt, wo gesagt wird, die muss jetzt ausgeführt werden. Das gibt so ein beruhigendes Gefühl an der Spitze der Organisation.

Martin Aigner: Mhm.

Stefan Kühl: weil das so was Maschineartiges hat, hat was Brechenbares an der Stelle. Und alles das, was nicht in dieses Schema der Brechenbarkeit reinpasst, ist deutlich schwerer zu verarbeiten. Also ganz viel von dem, was in Organisationen stattfindet, eignet sich nicht für den Austausch. Alles das, was so an alltäglichen Regelabweichungen vorhanden ist, an mikropolitischen Spielen, die gespielt werden. Das kriege ich als Berater oder als Beraterin oder auch als Führungskraft nur sehr, schwer an die Oberfläche der Organisation gespielt. Das wird dann irgendwie auf der Hinterbühne der Organisation verhandelt, sodass wir immer noch diese Diskrepanz haben, dass auf der einen Seite so getan wird, als wenn die Maschine irgendwie wie eine komplexe, die Organisation wie eine komplexe Maschine funktioniert. Und auf der anderen Seite haben wir es mit deutlich, ja, finde ich, diffizileren und auch organisationssoziologisch komplexeren Prozessen zu Zusammenspiel zwischen Formalität und Informalität, aus der Notwendigkeit der Funktionalität zu heucheln nach außen, die Organisation hübscher zu machen als sie eigentlich ist, wo man dann gucken muss, inwiefern produziert das Zynismus in der Organisation. Und das sind Fragen, wo, glaube ich, kluge Führungskräfte wissen, dass so was in der Organisation stattfindet, aber wo es gar keine Instrumentarien dafür gibt, solche Sachen überhaupt zu erfassen und besprechbar zu Und an der Stelle, da sehe ich die Aufgabe von uns systemtheoretischen Organisationssoziologen, eine Übersetzung zu machen zwischen dem, was wir in der Wissenschaft erarbeitet haben und es so zu formulieren, dass es für Praktikerinnen und Praktiker verwendbar ist. ist so die gewisse Art, weil wir möchten die Mission, die wir als Systemtheoretiker, Systemtheoretikerin haben, die mit Praxiskontakten arbeiten. Also eine Übersetzung dessen, sodass die

Martin Aigner: Ja.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Ne, okay.

Stefan Kühl: Beschreibungen, die von Organisationen angefertigt werden, realitätsnäher werden. Paradoxerweise, die Systemtheorie hat den Anspruch, realitätsnähere Beschreibungen von Organisationen zu liefern, als das, was normalerweise auf diesen üblichen Powerpoint-Präsentationen...

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Jetzt hast du da die Brücke eigentlich schon schön geschlagen, weil ich hätte ja auch gesagt, auch gute Menschen im Management, die wissen ja, dass diese Zweckrationalität nur eine Geschichte ist. Es auch ein Teil, aber es funktioniert ja so nicht. Es gibt viel, mehr. Es ist viel komplexer. Die Realität in Organisationen ist sehr viel mit viel mehr Paradoxien durchzogen, dass sich das so einfach nicht beschreiben lässt. gerade dann hätte ich ja gedacht, wäre es doch eigentlich super ein Werkzeug zu haben, wie ihr zum Beispiel diese Systemtheorie, die diese Übersetzungsleistung machen kann. Und dann hätte ich jetzt eigentlich erwartet, wahrscheinlich ist es auch einfach nur ein Wunschdenken, dass es viel mehr Einzug hält, aber es ist immer noch ein gallisches Dorf, wie du vorhin auch beschrieben hast.

Stefan Kühl: Ja, also das, naja, und das sind natürlich auch hohe Anforderungen, gestellt werden. Also man muss ja wissen, welcher Stelle muss ich jetzt die Organisation durch so einen Strategieplan bedienen, der irgendwie so eine Stringenz hat, weil ich weiß, dass das zum Beispiel jetzt gerade von der Hohling eingefordert wird. Und das muss ich auf der einen Seite irgendwie so nach innen in meiner Organisation verkünden, dass alle daran sich orientieren.

Martin Aigner: Ja.

Stefan Kühl: Und auf der anderen Seite muss ich aber die Offenheit behalten, dass das auch irgendwie nur ein Teil meiner Außendarstellung gegenüber einer Holding oder gegenüber bestimmten Kapitalbesitzern ist. Und diese Diskrepanz permanent zu managen zwischen ich brauche manchmal irgendwie so einen klassischen Strategieprozess durch eine Expertenberatungsfirma, weil es erstmal zur Legitimationsproduktion dient und dann aber gleichzeitig nicht dran zu glauben oder nicht richtig dran zu glauben, weil ich weiß Strategie läuft anders als irgendwie das Denken und dann die Formulierung eines Ziels, die dann über ein Rollout durchgesetzt werden muss. Das ist vergleichsweise schwierig, auch als Managementpraxis vergleichsweise schwierig. Dann ist natürlich die Verlockung groß, an das zu glauben, was man da an PowerPoint-Präsentationen sich hat anfertigen lassen. Also ich kann das schon gut nachvollziehen. Also wir als Systemtheoretiker sind vergleichsweise skeptisch, wenn die Systemtheorie plötzlich praxisnah werden würde. Also das würde einmal den Widerspruch zwischen Wissenschaft und Praxis nivellieren, an was wir nicht glauben. Wir glauben immer, dass da ein Spannungsfeld existiert und Systemtheorie eigentlich per se nicht schon gute Praxis sein kann. Also diese Spannung wollen wir aufrechterhalten, weil ansonsten würde die Diskrepanz auch verloren gehen, auch die Innovationskraft der Systemtheorie verloren gehen. Und auf der anderen Seite verstehen wir natürlich, weswegen Organisationshussos zur rationalen Beschreibungsformel greifen und weswegen Menschen an solche einfachen Modelle glauben. klar, also das ist alles nachvollziehbar. Aber macht es denn eben doch ebenso anspruchsvoll, diese Systemtheorie-Konzepte oder systemtheoretischen Konzepte in der Praxis irgendwie als Denkschema dazu zu

Martin Aigner: Ja, jetzt ist es ja Oktober, jetzt schreiben alle guten Berater die Angebote fürs nächste Geschäftsjahr und für die nächste Iteration. Und was sagen wir denn jetzt? Also eigentlich wäre es jetzt schlau, wenn Sie ein Organisationsentwicklungsprojekt machen, dass Sie ein kurzes iteratives Angebot machen, wo man in einem Workshop erst mal das Problem versteht. Versus, ja schickt uns mal eine Lösungs-Skizze, wie man jetzt da vorgehen kann. Die Lösungskizze mit 15 Horizonte oder was man halt so reinschreibt, die ist natürlich hochgradig anschlussfähig in der Kommunikation bei so Unternehmen, muss ja doch in Einkauf. In der Beobachtung ist mir das schon klar, also warum das so sein muss. Aber was sagen wir jetzt denen? Was sollen die jetzt rein praktisch tun?

Stefan Kühl: Ja, mach ich das. Also sehe ich ganz genauso, es ist total ill-sinnig. Also wenn man jetzt diese Agilitätswelle nimmt, die in den letzten zehn Jahren durch die Organisation getrieben worden ist, dann steckt ja ein kluher Gedanke dahinter, nämlich inkrementelle Vorgehensweise. Also schrittweise gucken, was ergibt sich draus, macht man es weiter oder macht man es nicht weiter. Und da gibt es aus meiner Sicht sehr, sehr gute Gründe, das so zu machen. Also bei Softwareprojekten, bei Produktentwicklungsprojekten, auch ganz besonders bei Organisationentwicklungsprojekten. Also nicht einen Masterplan zu machen, sondern zu sagen, wir schauen von Schritt zu Schritt. Und dann entsteht genau diese Situation, die ich auch nur perplex beobachte, dass die Organisation auf der einen Seite den Agilitätsdiskurs bedient und auf der anderen Seite ihre großen Ausschreibungswellen für irgendwelche Veränderungsprojekte haben, wo dann irgendwelche Beratungsfirmen mit irgendwelchen Angeboten antreten, die dann darin bestehen, hübsche PowerPoint Folien zu schreiben, ohne dass man die Organisation besonders gut versteht. das ist ja, diese Angebote werden ja gemacht, ohne die Organisation eigentlich begriffen zu haben. Das heißt, was man sich einkauft, sind Leute, die gute Angebote schreiben können, nicht Leute, die gute Beratung machen können. ja, es gibt ja dann auch, dann müssen die halt irgendwie so trocken singen und also wenn ihr in staatlichen Ausschreibungsprogrammen unterwegs seid,

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Mhm.

Martin Aigner: Das ist wie im Assessment Center bei Bewerbern. Die können dann gut Assessment Center.

Stefan Kühl: dann gibt es ja sogar noch den Irrsinn, man darf auch eigentlich nichts über die Organisation wissen, bevor das Angebot abgegeben wird, weil das ja sonst eine Verzerrung der Konkurrenzsituation gewesen ist. Und wenn es irgendwie einen Punkt gibt, wo dieser Agilitätsdiskurs eigentlich hätte sinnvoll sein können, ist zu sagen, liebes Management, macht diesen Fehler nicht, vergebt nicht einen Auftrag über 1,5 Millionen Euro für ein Veränderungsprojekt, an der, dass ihr euch denn sklavisch mit einer Beratungsfirma bindet.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: ...

Stefan Kühl: sondern fängt an mit einzelnen Personen zu arbeiten und schaut, wie sich das entwickelt. Also wählt eine incrementelle Schrittweise, Vorgehensweise und versucht, wo funktioniert was, wo funktioniert nichts. Aber ich kenne die ersten Organisationen, die das begreifen, entsprechend versuchen, in ihrer Vergabepraxis umzusetzen. Aber die große Mehrzahl funktioniert an dieser Stelle noch anders. Und dann hat man die ganzen Effekte, die ja gut beschrieben sind, wenn man mit Masterplänen arbeitet oder mit einer Pauschalvergabe für die nächsten anderthalb Jahre arbeitet. Man hängt da drin und hängt aneinander und kommt da auch nicht ohne Weiteres raus, weil das ist ja mal ausgeschrieben und vergeben.

Martin Aigner: Ja und das wäre das Argument. ist quasi so systemimmanent argumentiert, das ist also quasi Beitrag zur Risikominimierung. Wenn wir nun 20.000, 30.000 Euro Workshop machen statt 1,5 Millionen. Also am besten noch mit Abbruchbedingungen, wenn es nicht passt, dann beauftragt wen anders. Ja das ist, also ich beobachte das immer wieder wo kluge Leute, also ich habe es mit ein paar gesprochen, werden jetzt gerade fleißig Angebote geschrieben bis der Stift raucht. die wissen das, wollen wir diese halbe Stunde Pitch mit dem Management nicht einfach nutzen, das Problem zu verstehen? Wollen wir diese Regeln brechen, dieses Vergabeverfahren? Und dann sitzen die halt da und kratzen sich am Kopf, was macht der andere? Das ist fast schon spieltheoretisch, was da passiert. Und die werden dann gezwungen, dieses Spiel trotzdem mitzuspielen, weil sie denken, der andere macht auch. Also, spannende, spannende.

Stefan Kühl: Ich mache relativ viel für deutsche Entwicklungshilfeorganisationen, die eine Tendenz haben zu noch größeren Paketen. Also wenn es darum geht, Beispiel begleitend zu einer Kreditvergabe über 100 Millionen für den Wassersektor in einem Land noch eine Unterstützungsmaßnahme aufzusetzen über 3 oder 4 Millionen. denn tendieren die dazu, das über vier Jahre auszuschreiben und dann treten Beratungsfirmen gegeneinander an, diese vier Millionen Unterstützungsmaßnahme zu gewinnen. Und ich argumentiere und sage auch, es ist völlig irrsinnig. Ihr würdet es selbst nie in dieser Dimension machen. Ihr entmündigt letztlich euren Projektpartner, weil er gezwungen ist, über vier Jahre sich aufgrund dieses Zuschuss einer deutschen Organisation mit dieser Beratungsfirma rumtreiben zu müssen. Und das Argument, was kommt näher? Aber es erleichtert die Vergabe. Wir müssen es nur einmal machen. Und ansonsten haben wir 10, 12, 15 oder 20 Vergabeverfahren, die jedes Mal abgewickelt werden müssen. Für uns ist das als Organisation effizienter. Man produziert kontraproduktive Effekte. Man zerstört dadurch bestimmte Prozesse in Organisationen, aber kann als Vergabeorganisation, als Entwicklungsbank oder als Entwicklungshilfeorganisation sagen, wir haben es halt korrekt vergeben. Das ist sicherlich an der Stelle ein richtig riesenstrukturelles Problem, wir im Moment haben. Aber es spielt natürlich im Kleinen, vielen Großkonzernen, die über diese Großvergaben gehen, genau das gleiche. Also genau das gleiche Problem. Man fängt eigentlich mit einem Prozess an, der dazu führt, dass man suboptimale Ergebnisse erzielen kann. Wenn man Glück hat, kommt man irgendwie durch. Wenn man Pech hat, hat man schon zu Beginn eines Veränderungsprozesses durch diese riesen Vergaben und diese Pitch-Situation. wo Firmen ohne Kenntnisse gegeneinander antreten, also ohne Kenntnisse der konkreten Situation, der konkreten Organisation gegeneinander antritt, schon letztlich die Saat für einen missligenden Veränderungsprozess gesetzt.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Letztendlich folgt es aber natürlich der gleichen Logik, also der Zweck Rationalität, weil auch das Unternehmen erstens mal macht es sich einfach eine Ausschreibung. Auf der anderen Seite wird aber natürlich auch auf Seiten der Beratung ein Bild suggeriert, was überhaupt nicht stimmt. Da wird dann der Sieben-Schritte-Plan evaluiert, wie man dann die Leute am besten auch noch mitnimmt, dass man dann am besten noch die gesamte psychologische Sicherheitsklaviatur mit runterspielt, dass man dann eine Gap-Analyse macht und dann die Differenzen. aufzeigt und dann muss man nur noch Schritt ABC machen. wir bei 20 Kunden vorher auch schon gemacht und dann ist die Lücke geschlossen und liebes Unternehmen, sie sind vollständig transformiert. Klingt super.

Stefan Kühl: Man kann sagen, ist für beide Seiten optimal. Die Großorganisation erspart, egal ob es ein Unternehmen, eine Verwaltung, eine Universität oder irgendwas anderes, erspart sich diese Mikrovergaben. Und auf der anderen Seite, die Beratungsfirmen finden das natürlich toll, wenn sie so Auftrag gewonnen haben, weil sie eine Planungssicherheit haben und wissen, sie kriegen über die nächsten anderthalb Jahre so so viel Geld und sind in das Projekt gebunden. Das heißt, es gibt aus der Rationalität sowohl der Beratungsunternehmen als auch der des Kundenunternehmens oder der Kundenorganisation Interesse daran, so zu arbeiten. Bloß für den Veränderungsprozess ist es halt scheiße. Und das ist halt so bisschen der Irrsinn. Und es wird zusammengehalten durch so ein zweckrationales Organisationsmodell, was dann eben in der Außendarstellung, weil so ein Veränderungsprozess ja dann quasi auch in der Pitch-Situation so aufgelegt ist. Da wird dann schon die Interventionsarchitektur dargestellt und die Zielsetzungen werden entsprechend reingenommen. Also man nutzt das zweckrationale Organisationsmodell.

Martin Aigner: plus

Stefan Kühl: damit beide Seiten eine Planungssicherheit bekommen, die dann nachher am Ende aber mit dem faktischen Veränderungsprozess nichts zu tun

Martin Aigner: Plus die Mitarbeiter, also die Mitarbeiter, die ja darunter leiten. Also der Scrum Master, HR Coach, der das dann umsetzen muss, ohne Auftragsklärung, ohne irgendwas. Mach mal hier bitte Phase 3 Change Intervention 7, Absatz 3 durchsetzen. Viel Spaß.

Stefan Kühl: Die Leute, es nachher am Ende entweder als interne oder auch als externe Berater umsetzen sollen, sind halt aufgrund dieses Settings in einer ganz verheerenden Situation, spielen aber alle das Spiel mit, weil man sich ja einmal auf diese Vorgehensweise geeignet hat. wenn man denn sagt, erinnert euch doch an das, was Agilität eigentlich bedeutet von seinem Kern hier, nämlich eine schrittweise inkrementelle Vorgehensweise, dann setzt es doch bei euren Veränderungsprozessen an. macht nicht den Fehler, den ihr in der Softwareentwicklung vor 20 Jahren gemacht habt. jetzt in Veränderungsprozessen, sondern versucht eher mit inkrementellen Vorgangsweisen zu Aber wir sind uns einig. Ich glaube, die Message ist extrem wichtig und es würde sich lohnen, auch über bestimmte Qualitätsstandards des Change-Managements zu diskutieren, wo man sich darauf einigt und sagt, das ist nicht best practice, sondern es ist vermutlich worst practice und dann darauf hoffen, dass es sich irgendwann durchsetzt. Aber das ist für mich so ein Indiz, wenn wir an solchen Punkten immer, immer, immer wieder diskutieren müssen.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Erfordert aber natürlich auch eine

Stefan Kühl: Kann es nicht sein, dass sich bestimmte systemtheoretische Vorstellungen von Organisationswandel in irgendeiner Form in der Praxis durchgesetzt hat? Sonst würde man solche professionellen Fehler als Kundenunternehmen, als Kundenverwalt, also als Kundenorganisation nicht

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: jetzt die ich würde jetzt noch eine psychologische komponente noch mit hinzunehmen weil ich würde jetzt einfach mal die these aufstellen dass es ja auch ein gewisses standing braucht so was machen zu können man muss ja mit der unsicherheit auf beiden seiten leben können vor allen dingen aber auf seiten der beratern dass man sagt ich kann das aushalten dass wir einfach uns vier wochen davor robben und dann ist es kann es okay sein dass der kunde sagt es bringt ihm nichts oder er möchte nicht und das wird gestoppt also dass man diese zuversicht hat dass man sagt wir begleiten euch aber die Wirksamkeit des Ergebnis dieses Veränderungsprozesses steht jetzt tatsächlich im Vordergrund und wir lassen uns durch diese vertraglichen Regelungen dann nicht in die Quere kommen. Das ist natürlich ein anderes Standing, das man da braucht.

Stefan Kühl: Ja, das sehe ich genauso wie du. Es braucht eine starke Hierarchie. Also diese Vergaben, auf die sich alle einigen, denn mehrere Abteilungen in der Vergabe sitzen, ist natürlich auch ein Mechanismus der Verantwortungsdiffusion. Weil man dann sagen kann, es wurde doch mal irgendwann entschieden und wenn der Veränderungsprozess scheitert, sind halt mehrere Personen dafür zuständig gewesen. In dem Moment, wo man auf ein anderes Verfahren geht, braucht man eine stärkere Stützung durch die Hierarchie, höheres Risiko. durch die Hierarchisch Vorgesetzten, die sowas dann tragen müssen. Und die dann auch die Mikropolitik aushalten müssen, dass halt immer wieder Querschüsse in so einen Veränderungsprozess reinkommen können. Und das muss man kaufen. Deswegen ist es vermutlich einer der Gründe, weswegen mittelständische Unternehmen, die einem Unternehmer gehören, eher in der Lage sind, solche Veränderungsprozesse aufzusetzen, als jetzt zum Beispiel große Verwaltungen, wo dann vielleicht mehrere Ministerien rein spielen oder Unternehmen, wo als Bereichsvorstände miteinander im Konflikt stehen und man sich nicht einigen kann, wie sowas dann im Einzelnen ablaufen soll und man sich dann auf irgendwie so einen Steuerungskreis und Lenkungskreis einigt, der dann irgendwie so eine Großvergabe macht. Also das sehe ich ganz genauso wie du. Die Anforderung an die Organisation mit solchen inkrementellen Prozessen zu arbeiten ist größer als jetzt bei so zweckrationalen Vergabeverfahren.

Martin Aigner: Ja, der muss halt im Prinzip eine Wette spielen können. Eine Hypothese ist immer eine Wette und die kann widerlegt werden oder nicht. Dieser Worst Case, die Hypothese quasi sich nicht bewahrheitet, das auszuhalten, das ist das Standing, was es braucht. Und wenn man so eine Verantwortungsdiffusion hat, wie du beschreibst, dann will es keiner gewesen sein. da würde uns Agilität helfen. Die ist dafür gebaut. Und die Antwort wäre, wenn es failt, ja, was haben wir dann? Haben wir gelernt. Haben wir uns weit entwickelt.

Stefan Kühl: das nie geglaubt, aber plötzlich habe ich ein Plädoyer für Agilität. An der Stelle macht Agilität Sinn. Das macht bei Softwareprojekten Sinn, wenn es jetzt bei Bauprojekten immer mit dem entsprechenden Begrenzung Sinn Es macht bei Produktentwicklungsprojekten Sinn und da wo es am meisten Sinn macht sind eigentlich Veränderungsprojekte. Das hat bestimmte Konsequenzen für die Art und Weise, wie Veränderungsprojekte vergeben.

Martin Aigner: Ja, ja.

Stefan Kühl: die Unterstützung.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Ich würde jetzt gerne noch mal eins tiefer reingehen, nämlich auch noch dann in die Operationalisierung eines solchen Change Prozesses. Also jetzt haben wir den Vertragsprozess sozusagen hinter uns gelassen. Was ich auch glaube ich von Ihnen in einem Buch, von dir in einem Buch gelesen habe, dass die Change Architektur ja auch meistens von den Beratungsfirmen gar nicht praktisch ist. Also im Sinne von wenn ich nicht weiter weiß, gründ ich einen Arbeitskreis. Also ich habe dann einfach ein paar Leute, die sich dann vorrangig ⁓ diese Change, diesen Change zu kümmern, sich darum kümmern. Und auch da wäre es ja eigentlich sinnvoller, nicht eine... Beobachtung ist ja, dass sich diese Gruppen dann gerne mal von der Operativen abheben, abkoppeln und dann eigentlich den Anschluss an die Operative verlieren, dass man diese Gruppen durchwechselt und immer wieder in anderer Besetzung einen, diesen Change-Prozess macht, was natürlich andere Anforderungen bringt. Aber auch das habe ich zum Beispiel noch nie gesehen in einer Organisation. Ist aber für die Sache wäre das eigentlich sehr, gut.

Stefan Kühl: Ja, wir aber, also klar, wenn der Kunde unbedingt eine Steuerungsgruppe und eine Projektgruppe dafür haben möchte, dann macht man das auch. Aber man versucht trotzdem, das als Prinzip durchzusetzen. Aber das, was quasi ein Tabu auch in der Change-Management-Szene ist, ist ja, dass die Art und Weise, wie Change-Projekte durchgesetzt werden, nicht von der Logik der Kundenorganisation ausgedacht werden, sondern von der Logik, wie funktioniert man als Beratungsunternehmen. Also wenn man jetzt so die klassische Expertenberatungsfirma nimmt, die darauf basiert, dass irgendwie ein Senior mit einer Reihe von Junior Consultants vier Tage pro Woche vor Ort ist, wo man dann immer sagen kann, wir machen Beratungstage, wir machen Beratungstage, egal was die dann machen, ob die produktiv sind oder nicht, hauptsache sie können ihre Beratungstage verrechnen, egal ob das jetzt gerade in die Dynamik des Veränderungsprojekts reinpasst.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Ja, genau.

Stefan Kühl: bestimmt denn die Art und Weise, wie ein Veränderungsprozess in der Organisation abläuft. Das heißt, die Logik der Beratungsfirma bestimmt die Logik des Veränderungsprojektes. Und dabei müsste es ja eigentlich umgekehrt gedacht werden, dass man sagt, was ist jetzt in der Veränderung gerade notwendig? Es gibt immer Phasen, wo quasi sehr viel Personaleinsatz von den Change-Managers nötig ist. Und manche gibt es auch Phasen, wo man so einen Prozess einfach so ein bisschen laufen lassen muss, ohne dass man interveniert, weil sich da noch was ausmendeln muss, was man als Berater gar nicht beeinflussen kann. Und die Logik, die Logik, und das Beobachten, sind relativ teure Beratungsfirma, wenn ich jetzt als Praktiker spreche, also mit hohen Tagessätzen, da gibt es eine ganz andere Logik, die eben davon ausgeht, ganz, ganz viele Tage mit ganz, ganz vielen Juniorn zu verkaufen, weil man dann eben zum Beispiel die Tagessätze des öffentlichen Dienstes bedienen kann, wo man dann aber natürlich enorm viel Slack hat. wo einfach keine Notwendigkeit besteht, an der Stelle gerade beim Kunden zu sein, aber wo einfach Zeit abgesetzt wird und das dann nach Vergaberichtlinien entsprechend durchgesetzt werden kann. Und das sind schon so Prozesse, wo ich denke, da braucht es einmal sicherlich ein Reflektieren auf der Seite der Veränderungsmanager in Verwaltungen, in Universitäten, in Unternehmen, die reflektieren, wie wollen wir das eigentlich aufsetzen. Wir brauchen aber natürlich auch eine Selbstverständigung innerhalb der berater Szene darüber, wie gehen wir eigentlich mit dieser Spannung ⁓ Was machen wir an der Stelle? Und da sehe ich im Moment, also ich sehe diese Diskussion, aber ich sehe keine richtig öffentliche Kontroverse darüber, sondern es gibt zwei Modelle, die gegeneinander antreten, ohne dass aber eine Auseinandersetzung darüber stattfindet, was ist eigentlich für einen Veränderungsprozess das bessere?

Martin Aigner: Für mich ist es auch... Ja, ja, es ist total super.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: dass wir alle drei in Beratungsfirmen arbeiten. Aber es gibt einen Lichtblick, zumindest, ich glaube, so wie ich das mitbekommen habe, Metaplan probiert da ja auch anders zu arbeiten und auch Martin und ich haben immer wieder das Glück, dass es tatsächlich Kunden gibt, die sich darauf einlassen. Also es gibt die Möglichkeit auch anders zu arbeiten, dass wir sagen, wir bauen in unsere Verträge immer mit ein, nach jedem Workshop jederzeit cancelbar. Wir gucken, dass wir einfach vorankommen. und uns gemeinsam hypothesebasiert voranirren. Das ist ja die Realität.

Stefan Kühl: Ja, und es gibt ja auch Momente, also ich habe das von meinem eigenen Mentor Wolfgang Schnelle, einer der beiden Gründer von Metaplan gelernt, da meinte, irgendwann hat man sich als Berater auch verbraucht. Also da ist man in so einer Sackgasse drin und es macht gar keinen Sinn weiterzumachen. Wenn man dann aber in irgendeinem Beratungsprojekt, was auf eineinhalb Jahre ausgelegt gewesen ist und irgendwelche Masterpläne, die vereinbart sind, drinstecken, dann macht man halt irgendwie weiter. Aber es ist sowohl für den Kunden unbefriedigend als auch für den Beratern her am Ende. Man hat ja keine Wirksamkeit in der Organisation mehr. Und da finde ich die Idee von euch zu sagen, dann guckt man sich tief in die Augen und sagt, hör zu, wir kommen da im Moment gerade nicht weiter, es ist vielleicht auch der falsche Moment. Anstatt da jetzt sklavisch an so einem Prozess festzuhalten, geht man dann halt lieber raus und sagt, ja, sieht sie vielleicht in drei, vier Jahren mal wieder, aber im Moment macht es keinen Sinn weiter zu haben.

Martin Aigner: Tatsache, diese in sich eingebaut keine Qualitätssicherung drin haben, zeigt ja schon, wie freitrennend das Ganze ist. Also in jedem vernünftigen Softwareentwicklungsprojekt gibt es eine Code Review und da wird der Code nochmal angeschaut, dann passt das immer auf richtigen Weg. Bei der Beratung von irgendwelchen Seniorberatern oder Börder gibt es keine Qualitätssicherungsmechanismen. Also sowohl die Firma hat keinen aufgebaut, weil die keine Kompetenz haben, diese Qualität zu beurteilen, was der da tut. Und die selber machen das auch nicht, weil da keine Zeit ist dafür. Man müsste so eine Art... Nicht strukturell, ja, genau. Also keine Ahnung. zwei Monate mal nennen wir es Supervision zum Projekt. Stichelnde Fragen. Du, warum hast du das gemacht? Was ist die Interventionsidee? Bist du dir sicher, dass du dich nicht in die Idee verliebt hast und dass das richtig ist? Und, und, und. Also einfach mal aus einer externen Perspektive reinzugehen und...

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Also nicht strukturell.

Martin Aigner: eine Qualitätssicherung zu machen über diese Beratungsleistung, die da stattfindet. Sowas gibt es ja gar nicht. Und deshalb sind die freitränt aus meiner Sicht. Also passiert genau das. Das wütet sich hart an meiner Zeit ab. Das würde bei so was auffallen.

Stefan Kühl: Ja, wobei das natürlich, also klar, aber es ist natürlich extrem anspruchsvoll, festzustellen, was ist ein erfolgreicher Change-Prozess, was ist kein erfolgreicher Change-Prozess. Und es gibt ja so Positionen, die davon ausgehen und sagen, wenn der Kunde zufrieden ist, dann ist es ein erfolgreicher Prozess. Ich habe da meine großen Zweifel. Es kann sein, dass der Kunde dann zufrieden ist, wenn man an die eigentlichen Kernthemen nicht rangekommen ist. Manchmal ist es so, dass ich sage, man kann eigentlich nur erfolgreich sein, wenn man immer knapp

Martin Aigner: Ja.

Stefan Kühl: dabei ist, rauszufliegen, weil man ansonsten nicht die Finger in die sensiblen Punkte beim Kunden gelegt hat. Das heißt, es gibt über den ganzen Zeitraum immer eine Situation, wo der Kunde eigentlich latent unzufrieden ist, weil man diese Themen gar nicht bearbeiten möchte, die der Berater anspricht. So ein bisschen, jetzt bin ich mal vorsichtig mit solchen Vergleichen, aber es ist so ein bisschen wie in einer Therapiesituation, wo man seine Therapeutin auch irgendwann hassen muss, weil sie halt einfach so penetrant an bestimmten Punkten rum ist. und wo, wenn man die Möglichkeit hätte, das in irgendeiner Form zu evaluieren, die Therapeutin ganz, ganz viele Minuspunkte bekommen würde. Das heißt, es gibt eigentlich nie jetzt wie beim Kauf eines Shoes oder einer Gießkarte den Moment, wo man sagen kann, man kann eindeutig sagen, ob etwas gut oder schlecht ist, weil es sich einen gemeinsamen Produktionsprozess handelt, der unklare Erfolgskriterien hat. Und da braucht es und das ist ... Erstmal auch schwer auszuhalten. braucht es eigentlich eine professionelle Selbstverständigung unter den Beratern und Beraterinnen, ob ein Prozess gut läuft oder nicht. Also wir machen ja professionell oder ich mache ja professionelle Fehler auch. Aber die professionellen Fehler, da denke ich, das sind meine Kollegen und Kolleginnen, die diese professionellen Fehler beobachten, mit denen ich das besprechen kann. Beim Kunden ist das häufig so, dass er das total super findet. Und ich denke, ich habe da jetzt gerade echt einen Bock gebaut. Also meiner Meinung nach einen Bock gebaut. Das war ein Fehler.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Hmhm.

Stefan Kühl: Er sieht das aber an der Stelle nicht. Es gibt andere Situationen, ich Widerstände bekomme und so von wegen wir müssen doch jetzt mal diesen Workshop evaluieren und wenn so diese Smiley-Dinger verteilt und dann wird gesagt, da haben jetzt aber viele bei dem Workshop negative Smilies hingeklebt. Und ich sage ja, super erfolgreicher Workshop, weil natürlich das ein Zeichen dafür ist, dass wir an kritischen Punkten dran sind.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Mhm.

Stefan Kühl: Und das erstmal als Diskussion über Erfolg und Misserfolg von Beratung hinzubekommen, ist auch nicht immer leicht beim Kunden etabliert zu bekommen.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Das ist eine schöne Überleitung, denn ich würde jetzt mal noch eine Frage aus der Community einstreuen. Wir haben nämlich schon ein paar Fragen bekommen. Die interessiert nämlich, wie bringst du das wissenschaftliche Denken und Handeln, also im Sinne von ich beobachte von außen und erkläre was passiert, mit der Tätigkeit als Berater, also ich spiele eventuell tatsächlich auch mit auf dem Spielfeld und muss was verändert kriegen unter einen Hut.

Stefan Kühl: Ja, das ist eine extrem gute Frage. Also ich würde sagen, dadurch, dass ich versuche, für mich mehrere Hüte verfügbar zu haben. Also es gibt so eine Ebene, wo ich sagen würde, das ist quasi das, was ich soziologisch distanziert beobachte und wo ich in letzter Konsequenz auch einen empirisch orientierten wissenschaftlichen Text draus machen könnte. viel mehr erst mal daran interessiert bin, kriege ich meine Beschreibung so adäquat hin, dass ich damit auch in der wissenschaftlichen Beschreibung stehen würde. Das sind aber alles Punkte, für die Organisation schwer zu verarbeiten wären. Das sind Sachen, die eher im Latenzbereich, im schwer kommunizierbaren Bereich liegen. Und das heißt, ich muss eigentlich, wenn ich jetzt anfange, als Berater tätig zu werden, zu überlegen, In welchen homopathischen Dosierungen kriege ich bestimmte Einsichten in der Organisation reingespielt, sodass es wirklich auch eine Veränderung in der Organisation erzeugen kann. Also es gibt in gewisser Art Weise einmal die Perspektive, was findet in der Organisation statt. Und da unterscheidet sich meine Praktikaperspektive gar nicht so sehr wie von meiner wissenschaftlichen Perspektive. Also das, ich da beobachte, ist gute oder schlechte Organisationssoziologie. Und dann aber die Frage, was kommuniziere ich in den Veränderungsprozessen? Das ist... unter Praxisgesichtspunkten relevant. Und diesen Anfängerfehler, ich sicherlich mal vor 20 oder 25 oder 30 Jahren gemacht habe, wo ich gedacht habe, ja super, ich sehe jetzt lauter blinde Flecken in der Organisation. Das muss ich dir jetzt mal in einem Workshop mitteilen. Okay, das ist ein echter Anfängerfehler, der darf nicht passieren, sondern man muss sich immer überlegen, von dem, was ich da jetzt gerade beobachte, wie kriege ich das so verarbeitet, dass die Organisation damit was anfangen kann. Und das ist quasi so diese Differenz, die ich an der Stelle versuche zu managen. Und das ist nicht immer leicht, weil natürlich, klar, ich bin die gleiche Person und das droht immer so bisschen ineinander zu rutschen. Aber wenn man diese Diskrepanz nicht hinbekommt zwischen einer sehr präzisen Organisationsbeobachtung mit den ganzen Unansprechbarkeiten und diesem Übersetzungsprozess in eine Sprache und auch in eine Vermittlungsdramaturgie, die das besprechbar macht, sollte man sich vielleicht nur als Wissenschaftler bedienen und nicht als Berater.

Martin Aigner: in der Rolle als Wissenschaftler. hast es gerade gesagt, du hast immer so einen Disclaimer, wenn du einen Talk hältst, gesagt, dass du dich für diese soziologische Distanziertheit zum Beobachtungsprojekt entschuldigst. Und ich habe mir das zu eigen gemacht, wenn ich so was mache, weil es fördert so bisschen die Antisympathie. Diese Empörung, das kannst du doch nicht sagen, singst und so. Ich beschreibe ja nur, was da ist, das nicht meine Meinung. Aber hast du da einen anderen Trick? Außerdem das kurz zu dekonstruieren gefunden über die Zeit, ⁓ deinen Zuhörer nicht zu verlieren.

Stefan Kühl: Naja, ist der Trick, den man sehr gut beobachtet. Jetzt muss ich mir einen neuen überlegen. Den wende ich ja aber nur in Vortragssituationen an, also wo ich Personen vermittel quasi diese ganzen vermeintlich provokanten Einsichten der Organisationssozialgie beizubringen. Da sage ich also alles das, was zur Rationalität kritisch ist. Organisationen müssen heucheln. Ohne Macht kann eine Organisation nicht leben und so weiter und so fort. Der Macht ist Das ist manchmal leichter, wenn man sagt, das ist jetzt die Perspektive eines Systemtheoretikers, eines Organisationssoziologen. Ihr könnt danach alles sofort wieder vergessen und mir quasi auf meine wissenschaftliche Disziplin als Soziologe zu rechnen. Das macht es dann manchmal einfacher, mit den Sachen umzugehen. Und dann gibt es Reaktionen, gesagt wird, naja, so provokant war das jetzt auch wieder nicht. Das ist ein Interaktions-Trick, der aber in der Beratungssituation nicht funktioniert. der Beratungssituation ist es eher so, dass ich da gar keinen Wert drauflege. wissen die, also Gesprächspartner, manchmal gar nicht, dass ich Soziologe bin oder dass ich Professor bin, sondern da kommt sie nur darauf an, inwiefern gelingt es mir, bestimmte Informationen aus der Organisation rauszukriegen und sie so zurückzuspielen, damit die Organisation in irgendeiner Form etwas damit anfangen kann. Und ich brauche da keinerlei Form von wissenschaftlicher Kompetenzdarstellung. Ich brauche keinen Hinweis auf Systemtheorie, sondern muss lediglich die Organisation so gut verstehen, dass ich damit was anfangen kann. Ich Beratungsprojekte, wo 99 Prozent der Gesprächspartner keine Ahnung hatten, dass ich Systemtheoretiker bin, ich Soziologe bin, dass ich Professor bin, weil das völlig irrelevant für die Interaktionszusammenhänge ist. Das heißt, da flacke ich das gar nicht aus. Das ist bei meinen Metaplan-Kollegen, Kolleginnen ganz genauso. natürlich treten die, wenn sie jetzt irgendwie auf LinkedIn sind oder wenn wir irgendwelche Bücher schreiben, die irgendwelche Bücher schreiben oder Artikel schreiben als Soziologen oder Soziologen, steckt eine Berater auf. Aber in dem Moment, sie in den Beratungsprojekten sind, ist es eine völlig irrelevant Information.

Martin Aigner: Ja, vielleicht ist es auch der Indikator im Beratungsalltag. Wenn man sowas gegen gesagt wird, dann hat man diese Grenze überschritten oder hat die Übersetzungsleistung nicht anständig gemacht. Ich kenne es aus der Praxis, wo ich noch am Anfang missionierend unterwegs haben mich Leute teilweise gehasst, weil ich das so präzise beschreiben konnte und grozi-wurzi einfach auch keine Idee hatte, wie es geht. Das macht die dann so fuchsig, weil du beschreibst ja nur das aber hast keine Lösung glaube, das ist dann so ein Indikator, dass man da die Übersetzungsleistung nicht richtig getroffen hat in der Kommunikation.

Stefan Kühl: Wer interessiert sich dafür, ob man Systemiker oder irgendetwas in der Richtung ist? Das ist doch vielleicht für die internen Berater, die dann irgendwie so einen Community-Gedanken haben, aber es ist ja für ein Veränderungsprojekt eine völlig irrelevante Information. Oder wer interessiert sich dafür, dass ich, wenn ich eine Organisation analysiere, mit den drei Entscheidungsprämissen, Typen, Kommunikationswege, Programm und Personal arbeite? Das muss ich ja gar nicht offen machen, sondern das ist ein... implizites Beobachtungsschema, das ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus der Beratung teile, was uns ermöglicht, die Organisation präziser zu begreifen. Aber ob wir das jetzt als Beobachtungsschema offen machen, 99 oder 95 Prozent der Situation macht es gar keinen Sinn, das in irgendeiner Form aufzudecken, sondern da leiten sich bestimmte Konsequenzen für die Veränderungsprozesse daraus ab, die aber nicht, man braucht nicht das theoretische Handwerkszeug offen zu machen.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Hm.

Stefan Kühl: Und da plädiere ich eher dafür, ganze Zeug, was wir als Analyseinstrumentarier und auch als Interventionsmöglichkeiten zur Verfügung haben, sehr bescheiden einzusetzen. Also man braucht es, aber man braucht es nicht darzustellen, was man da jetzt gerade macht. Und wenn denn jemand nachfragt und sagt, ich interessiere mich auch für Veränderungsmanagement, erklären Sie mir doch mal, was das mit dem Scheinesbuchwissen zu tun hat, dann kann man das ja im Pausengespräch gerne machen, aber im Weltkampf hat das eigentlich so nichts zu suchen.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Hast du ein Beispiel für eine Übersetzungsleistung, wo man auf der einen Seite mit der Brille der Systemtheorie etwas beobachtet hat, was wahrscheinlich nicht anschlussfähig wäre, wie man es leicht verpackt übersetzen kann? Ich weiß, wir haben ein sehr informiertes Publikum, würde ich sagen. Aber das ist schon eine Kunst, diese Übersetzungsleistung tatsächlich hinzukriegen. Deswegen frage ich, ob du spontan ein Beispiel hast.

Stefan Kühl: Also die Übersetzungsleistung ist ja, sage ich das, ja eigentlich 50 Prozent, 30 Prozent dessen, was man macht. Das eine ist zu beobachten, was abläuft und die andere Frage ist, wie übersetzt sich so, dass es in der Organisation ankommt. Und da, ich es immer beobachte, ist dieser Begriff brauchbare Illegalität. Also ich habe dazu ein Buch geschrieben, was aber letztlich nur der Versuch einer Ausdifferenzierung, einer Überlegung von Niklas Luhmann aus den 60er Jahren gewesen, das ist ein Kapitel in Funktion und Folgen Formaler Organisation, wo er eben die Idee aufgreift, die damals in der Organisationstheorie aufgekommen ist, dass es eine bestimmte Funktionalität der Regelabweichung in der Organisation gibt. Also es gibt gute Gründe von Regeln abzuweichen, nicht weil man persönliche Vorteile davon hat, sondern weil sie der Organisation nutzt. Und den Begriff, den er dafür gewählt hat, ist brauchbare Illegalität. auch mit so einer Unklarheit, ob das jetzt ein Verstoß gegen interne Regel der Organisation oder vielleicht auch ein Verstoß gegen Gesetze ist, aber der Begriff brauchbare Illegalität, der eignet sich super, bei irgendwelchen Vorträgen bei Praktikern erstmal so, also wenn ganz, ganz viele Leute auf so einem Konferenz zusammenkommen und man möchte gerne mal einen provokanten Vortrag erhalten, dann sagt man dazu brauchbare Illegalität. Wenn man jetzt aber in einer Organisation tätig ist, wo man eine Vielfalt von diesen Abwürfen Vielfalt an abweichenden Regeln beobachtet und man möchte gerne über diese reden. Und dann verwendet man dafür das Wort brauchbare Illegalität, dann gehen ja sofort alle Klappen hoch. Wenn da ein Compliance Manager mit dabei sitzt, der denkt, brauchbare Illegalität, totale Panik. Und dann sind diese regelmäßigen Regelabweichungen in der Organisation nicht mehr besprechbar. Das heißt, man braucht eine Terminologie, die das Phänomen für die Organisation erträglich macht. Und dann redet man von Workarounds oder kreative regelauslegung oder was habe ich jetzt creative compliance also es gibt verschiedene begriffe ja es gibt verschiedene begriffe mit denen man die gleiche idee beschreiben kann ohne dass in den provokationsgehalt hat und dann bleibt die organisation austauschfähig über diese phänomene das ist so ein beispiel für so eine so übersetzungsleistung einer einer formulierung wo man in der wissenschaft sowieso aber auch quasi wenn man so

Martin Aigner: kurzer Dienstweg.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Haha.

Stefan Kühl: Konferenzauftritt hat, scharfe soziologische Beschreibung benutzen kann und wo man aber in Beratungsprozess eine Übersetzung bringen muss, die für die Organisation verarbeitbar ist, wo nicht sofort das Immunsystem hochfährt, das abzuweisen.

Martin Aigner: Ich stelle es mir gut vor, einen Vortrag, brauchbare Illegalität, noch die Manager von Enron aus dem Gefängnis zugeschalten, per Zoom oder so, die mal quatschen lassen. Ich glaube, das wird rocken. Sehr gut.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: schönes Beispiel. Jetzt hast du Niklas Luhmann schon erwähnt. habe mich mal so gefragt, was glaubst du, wenn Niklas Luhmann heute noch leben würde und er würde heute auf Organisation blicken? Was würde ihm wohl am meisten überraschen?

Stefan Kühl: was soll ihn überwachen? Nein, uns hat sich ja nichts verändert. Also jetzt überspitzt ausgedrückt, diese Tendenz, in der Praktikerszene, in der Manager-Szene unterwegs ist, zu glauben, wir haben es jetzt irgendwie mit grundlegend neuen Organisationsprozessen zu tun, das ist ja so, ja, weiß ich nicht, das ist erklärbar aus irgendwelchen massenmedialen Gründen, aber wir haben es ja jetzt nicht mit grundlegend neuen Formen der Organisationsbildung zu tun, die dazu

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Gar nix.

Stefan Kühl: würde, dass er jetzt über Organisation anders nachdenken würde, als er das vor 25 Jahren gemacht hat. Also es gibt vielleicht Nuancierungen, wo man überlegen kann, was würde er dazu sagen. Also so dieses klassische Verständnis von IT. Also er hat in Mitte der 60er Jahre ein Buch über Automatisierung in der öffentlichen Verwaltung geschrieben, er, was man als Kommentar zur Digitalisierungswelle lesen kann.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Ja.

Stefan Kühl: Ob das jetzt durch Artificial Intelligence modifiziert werden muss, das finde ich ist immer noch eine offene Frage in der Wissenschaft, aber da tut sich nicht viel. Organisationsnetzwerke, also so die Ausgliederung von Organisationen, die dann wiederum miteinander vernetzt werden, ist so ein Thema, wo man gucken kann, ob man da vielleicht eine neue Nuance reinbringen muss. Auf der anderen Seite, das Netzwerkthema hat er schon bearbeitet. Nee, das sähe noch genauso aus. Also es gibt keine... Es gibt in der Organisationstheorie, glaube ich, keine Sache, die er grundlegend anders machen würde. ist ja sehr beruhigend für uns, also auf der einen Seite frustrierend, weil natürlich würden wir gerne den nächsten Paradigmenwechsel ausrufen und sagen, Luhmann hat aber nicht gesehen das, oder ist die Gesellschaft sich so verändert, wir brauchen eine neue Theorie. Aber gerade in Bezug auf Organisationen finde ich das für mich als jemand, der das jetzt seit 30 Jahren macht, extrem ergiebig festzustellen, dass das theoretische Gerüst, auf dem diese Organisationssoziologie basiert, sehr stabil ist. Also es gibt keine

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Genau.

Stefan Kühl: keine Entwicklung in der Organisation, die dieses Konzept in Frage gestellt haben, sondern es ist eher so, dass man halt die Theorie dann auf neue Fragestellungen anwenden kann. jetzt macht relativ viel über so vereinten Parteien Bewegungsorganisationen. Das ist in der Systemtheorie bisher noch nicht systematisch ausgearbeitet worden. Auch die Praktikaliteratur ist nicht richtig gut dazu. Es gibt schon Forschungsfelder, über die man arbeiten kann, aber es gibt keine Notwendigkeit da, was prinzipiell neu ist.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Dann frage ich nochmal andersrum, was glaubst du, welchem Thema wird in der Organisationsberatung heute eigentlich viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt? Ich wir haben über diese Rationalität von Beratungshäusern schon gesprochen, aber darüber hinaus, welches Thema wird eigentlich gar nicht beleuchtet oder viel zu wenig beleuchtet in der heutigen Organisationsberatung?

Stefan Kühl: Naja, also das, was einige Kolleginnen und Kollegen auch von anderen Beratungsfirmen ja versuchen, wo Andreas Herrnbäler und ich im Podcast über 15 Folgen versucht haben, uns einzumischen, ist ja so eine Idee, gelinktes sowas wie Qualitätsstandard für Veränderungsmanagement eigentlich festzulegen, die man sich einigen kann. Und dazu gehören ja zum Beispiel solche Fragen, wie halten wir es eigentlich mit Erfolg und Misserfolg von Veränderungsprozessen? Wie halten wir es von

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Hm.

Stefan Kühl: mit der Prozesssteuerung. Wie halten wir es zum Beispiel mit Steuerungskreisen, Projektmanagement-Teams in Veränderungsprozessen? Was sind Vor- Nachteile davon? Das sind, glaube ich, schon so ein Thema. Ich bin nicht naiv und glaube nicht daran, dass es so etwas wie bei den Ärzten geben wird, wo man sagen kann, es gibt die Standards des Veränderungsmanagements, auf die sich denn alle geeinigt haben. und dann irgendwelche Leute wie heißen die McKinsies oder so daherkommen und sich dann mit uns drauf einigen können, was die Prinzipien guten Change Management sind. Das wird nicht stattfinden, aber wir brauchen die Debatte darüber, was notwendig ist, weil natürlich in dieser Zerfransung, die wir im Moment gerade beobachten, auch dieser fehlenden kontroversen Bereitschaft, Diskussionsbereitschaft unter Berater, niemand tut jemandem anders was zu leide, jedenfalls nicht an der Oberfläche, führt halt dazu, dass wir eigentlich Ja, irgendwann wird es einen Inkompetenzzuweis auf Beratungspraktiker geben. Es gibt es jetzt schon, aber es ist natürlich in dieser Heterogenität, auch in dieser Willkürlichkeit von Standards, auch in der Willkürlichkeit in der Verwendung von Begriffen irgendwann ein Problem. Und da glaube ich schon, das ist jetzt, wenn man jetzt rein auf die Beraterszene guckt, das ist ja ein Kunde, ein Verwaltungsmanager oder ein Unternehmensmanager völlig wurscht, was die Berater dafür Probleme haben. Aber wenn man jetzt die Berater adressiert, würde ich schon sagen, dass man da was tun muss. gibt es eine Heterogenität, die nicht gut

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Ja. Mit Blick auf die Zeit, etwas mehr in den persönlichen Jetzt würde ich dich gerne fragen, wenn du eine Organisation nach deinen eigenen Vorstellungen gründen könntest oder würdest, welche Strukturen müsste man denn da bewusst einbauen oder auch bewusst vermeiden? Und dann ist die Anschlussfrage natürlich, inwiefern ist es denn beim Metaplan auch schon berücksichtigt?

Stefan Kühl: Also... Also sehr schwierig als Frage, weil ich mich diesen Punkt immer umgedrückt habe. Also in gewisser Art und Weise, wenn ich als Universitätsprofessor wirke, dann parasitiere ich an der Struktur der Organisation, die mir an der Stelle vorgegeben ist. Aber profitiere natürlich erst einmal primär von den Freiheitsgraden, die man da als Professor an einer deutschen Universität hat. Mein Verhältnis zum Metaplan ist ja kein anderes. bin freier Mitarbeiter, mache meine Beratungsprojekte, beobachte sehr interessiert, was für Prozesse Metaplan auch gerade in diesem Wachstum durchläuft. Und habe da nicht die Vorstellung, dass wir als Organisationssoziologen so viel weiser sind, was die eigene Organisation angeht, weil man sich ja natürlich die gleichen blinden Flecken hat. einhandelt, die andere Organisation auch einhandelt. Also die Vorstellung, man quasi sowohl drin sein kann, als auch von außen auf die eigene Organisation schauen kann, funktioniert nicht. Jedenfalls nicht in dem Moment, wo ich die Organisation selbst gegründet habe oder die Organisation selbst als Geschäftsführer führe, sondern die blinden Flecken sind an der Stelle vorhanden und da kann sogar die Organisation Soziologie schädlich sein, weil man sich dann immunisiert gegen das, was in dieser Organisation eigentlich abläuft. Und deswegen bin ich eher extrem bescheiden, was diese Organisationsfrage angeht. ich sage, in dem Moment, wo ich quasi in so einer faktischen Außensituation bin, das bin ich als Professor bei mir in der Universität in Bielefeld, das bin ich als jemand, der zwar hoch involviert, aber gleichzeitig natürlich auch distanziert bin zu dem, was in der Beratungsform abläuft. Da sehe ich bestimmte Punkte, aber kann sehr gut verstehen, dass diese Ansichten nicht unbedingt immer gleich dazu führen, dass da alles anderes gemacht wird, wenn man darauf gewartet hat, was Stefan Kühler jetzt gerade zu sagen hat. Und zur eigenen Organisationsgründung bin ich zu feige.

Martin Aigner: Ja, würde ich so akzeptieren, verstehe ich.

Stefan Kühl: Also eine richtige Organisation. jetzt zwei Personen unternehmen. ihr müsst miteinander gut zurechtkommen. Oder weiß nicht, wieviel ihr seid, aber ihr müsst halt miteinander kooperieren können. jetzt diese Frustration, also das ist ja erwartbar, wenn jetzt eine Organisation richtig erfolgreich ist. Man fängt an und bis 20 oder 30 Mitarbeiter sind alle irgendwie hyperidentifiziert. Man hat da irgendwie noch diese WG-Atmosphäre, weil alle um einen Tisch passen. alle Informationen fließen und da hat man plötzlich den nächsten Schritt und muss zu einer neuen Struktur kommen. Es gibt die ersten Leute, die Entfremdungserscheinungen haben. Es gibt eine Differenz zwischen oben und unten. Und dass ich glaube, dass in meiner Organisation diese ganzen negativen Effekte, meine in Anführungszeichen, nicht existieren würden, das wäre naiv. Und den Prozess, ich habe enorm Respekt vor Leuten, die sich dem aussetzen und Organisationen durch solche Wachstumsphasen durchführen. Aber ich glaube nicht, das der Punkt ist, womit ich selbst meine Zeit verbringen möchte. Deswegen erspare ich mir diese Frustration und bin deswegen aber auch extrem zurückhaltend, irgendwelche Tipps zu geben, wie man das besser machen kann als andere Wachstumsunternehmen zum Beispiel. bin da auch auch meinen Kollegen und Kolleginnen in der Beratungspraxis oder auch meiner Rektorin gegenüber bin ich extrem zurückhaltend, weil ich zwar bestimmte Sachen sehe, aber wenn ich nicht gefragt werde, was ich sehe, ich habe ja keinen Auftrag. Ja, dann beobachte ich das und habe aber in keinerlei, in keinem Moment die Vorstellung, ich könnte das besser machen.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Danke für die ehrliche Antwort. Welches Buch außerhalb der Soziologie hat dich und deine Art, wie du über Organisationen nachdenkst, am stärksten geprägt?

Stefan Kühl: außerhalb der Organisationsrotsiologie.

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Mhm.

Stefan Kühl: gibt keine guten Bücher über Organisation außerhalb der Organisationsoziologie. wenn man jetzt, nein, es gibt natürlich fantastische Beschreibungen, die extrem empirinah sind, wo ich denke, so funktionieren Organisationen. Zum Beispiel von Ihr könnt es in eure Schuhe reinschreiben von Jekyll, Moral Masis, also moralische Labyrinthe. Ist so ein Ding, das ist ein ehemaliger Praktiker, der sich danach hingestellt hat und beschrieben hat, was seine Erfahrungen in verschiedenen Organisationen gewesen sind. Der hat begriffen, wie eine Organisation funktioniert und danach hat er den Mut gehabt, sich hinzustellen und zu schreiben, was da abgelaufen ist. Oder von Richard Rottenburg, Weithehrgeholte Fakten. Das ist so eine sehr detaillierte Beschreibung von dem Zusammenspiel von Entwicklungsbanken, Beratungsunternehmen und Partnerorganisationen in einem afrikanischen Land super gut gemacht, auch toll zu lesen wie ein Krimi. Aber da würde vermutlich sagen, ich bin auch Organisationssoziologe. Deswegen hebst du mein Buch außerhalb der Organisationssoziologie heraus. Also da würde ich sagen, klar. Und da müsste man halt überlegen, gibt es irgendwelche Romane,

Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung: Mhm.

Stefan Kühl: die so sind, dass man denkt, das ist richtig gut. Also ich mache mal eine Serienempfehlung. ist The Wire. The Wire, ungefähr 10, 15 Jahre alt, über das Zusammenspiel von einer Drogengang in Baltimore und einer Polizeieinheit des Police Departments, wo man über die verschiedenen Staffeln sehr genauen Einblick bekommt, wie funktioniert eigentlich Stadtpolitik, wie funktionieren Massenmedien. wie funktioniert Wirtschaft, also in dem Fall der Hafen in Baltimore, wo ich, als ich das gesehen habe, das sind so ungefähr 50, 60 Stunden, wo ich gedacht habe, das kommt sehr nah an eine gute Soziologie ran, ohne dass in irgendeiner Form natürlich irgendwo mal eine soziologische Das sind schon so Highlights, wo man das Gefühl hat, da kommen Leute über pseudo-fiktive Beschreibungen so nahe an Realitätsgehälter an, dass man sagen kann, das ist eigentlich gute Organisation, gute empirische Organisation. Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung (1:00:40) Alles klar, sehr gut, danke für die Empfehlung. Dann Martin, magst du unseren Abschluss machen, wie immer? Martin Aigner (1:00:46) Ja, unsere Abschlussfrage ist immer, was hättest du denn erwartet, dass wir fragen? Haben's aber gar nicht gefragt. Stefan Kühl (1:00:57) Ich bin ja ganz dankbar, weil ich die letzten sechs Monate permanent nur über Führung managen rede, also über unser Führungsbuch, was wir auch verlosen werden, oder? Also wenn ich das richtig verstanden habe, es ein Exemplar davon. das ist schon so ein Thema. Ja, es gab Gründe, weswegen wir es geschrieben haben, also diese expensive Verwendung des Führungsbegriffs, wo alles plötzlich als Führung bezeichnet wird, auch diese Spannung zwischen Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung (1:01:07) Ich jage. Stefan Kühl (1:01:24) Wollen wir eigentlich noch von anderen geführt werden? Und wenn ja, wie funktioniert das? dann sagen andere, aber Selbstführung ist viel wichtiger. Also diesen sehr schrägen Begriff der Führung mal ein bisschen aufzuschlüsseln. Das ist so eine Sache, meine Kollegin Judith Muster und mich, ganze Reihe von anderen Kollegen auch die letzten zwei, drei Jahre rumgetrieben hat, wo wir auch versucht haben, den paar Spuren, die wir in der Systemtheorie finden, eigene Gedanken zu generieren. Und das zweite, das weiß ich gar nicht, wann es kommt, aber ich die letzten fünf, sechs Jahre einmal eben in diesem Buch über ein Management-Konzept der 50er Jahre, was mal quasi in den 60er Jahren super populär gewesen ist, das Harzburger Modell, und über eine aktuelle oder ehemals aktuelle Organisationsmode Holacracy. Da habe ich mit einer Reihe von Studierenden in Bielefeld Studien gemacht, wo jeweils auch Bücher daraus entstanden sind. Und ich habe jetzt ein kleines Büchlein geschrieben, Managementmoden nutzen, wo ich versuche jetzt für Praktika nicht in dieses übliche Bashing reinzugehen und zu sagen, Managementmoden, wir kommen jetzt hier als kluge Soziologen von außen und sagen, es ist alles nur eine Mode, sondern stärker für Praktika sinnvoll aufzubereiten, wo man solche Managementmoden sich auch sinnvoll aneignen kann und wie man mit diesem Management-Mode auch in Veränderungsprozessen arbeiten kann. Aber das sind so zwei Themen, die inhaltlich für mich auch abgeschlossen sind in dem Moment, wo die Bücher erschienen sind, aber wo, ich glaube, wenn eure Hörer, Hörerinnen sich interessieren, welche Richtung wir die letzten Jahre gedacht haben, dann sind das die beiden Produkte, die da so rausgekommen Martin Aigner (1:03:14) Danke schön. Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung (1:03:15) Ja, sehr interessant auch, genau, weil ich auch die Frage gestellt habe, welches Thema wird gar nicht beleuchtet oder wenig beleuchtet. Gerade zum Thema Führung finde ich, ein Thema. Keiner spricht über Gefolgschaft. Führung ohne Gefolgschaft existiert ja nicht und es gibt 1000 Führungsseminare. Aber es wäre auch mal spannend, ein Seminar zu machen. Wie folgt man eigentlich? Aber das füllt sicherlich auch noch mal ein anderes Gespräch. Genau. Wie du gesagt hast, also vielen Dank, werden eines deiner neuesten Bücher hier Führung Managing verlosen von dir und Judith Muster. Dazu wird es wieder ein Link in Post geben und unter all den Kommentatoren verlosen wir dann eines dieser Exemplare. Da freue ich mich schon drauf. Vielen Dank an der Stelle und auch vielen Dank für deine Zeit und die spannenden Einblicke. Hat mich sehr gefreut und wünsche dir alles Gute und ich bin gespannt, dass noch viele Bücher, wir alle viele Bücher noch von dir erwarten können. Stefan Kühl (1:04:05) Herzlichen Dank für die Einladung, hat sehr viel Spaß gemacht. Wir Müssen Reden! Podcast für agile Orgentwicklung (1:04:09) Danke schön. Bis dann. Ciao. Martin Aigner (1:04:10) Dankeschön.

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